🌙 Die Legende von Alinora, der Kräuterfrau
- christinaduerkop
- 25. Aug.
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 29. Aug.
ab 6 Jahren, Lesezeit etwa 10 Min. (Sehr gut in Kombi mit Nebelmaschinen)

Es war einmal, vor langer, langer Zeit, in einem kleinen Dorf am Rande eines tiefen Waldes. Das Dorf war nicht groß – vielleicht dreißig Hütten, ein kleiner Marktplatz und eine alte Kirche aus grauen Steinen. Die Menschen lebten von ihren Feldern, ihren Schafen und den Früchten, die sie im Wald sammelten.
Doch in diesem Dorf gab es jemanden, der besonders war: eine Frau namens Alinora. Alinora kannte jede Pflanze, jeden Strauch und jedes Moos im Wald. Sie wusste, welche Blätter das Fieber senkten, welche Wurzeln den Magen heilten und welche Blüten man trocknen musste, damit Husten verschwand.
Wenn jemand krank wurde, ging man nicht zuerst zum Priester, sondern zu Alinora. Die Leute klopften an ihre Tür, und sie öffnete ihnen mit einem Lächeln, das ihre Augen warm wie Kerzenlicht leuchten ließ. Dann mischte sie ihre Kräuter, kochte Tees oder legte kühle Tücher auf die Stirn der Kranken – und viele wurden gesund.
Eine Zeit lang waren die Dorfbewohner dankbar. Sie brachten ihr Brot, Käse oder Wolle, wenn sie geholfen hatte. Manche Kinder liefen sogar heimlich zu ihr, weil sie die Geschichten liebten, die Alinora beim Sammeln der Kräuter erzählte.„Hört genau hin“, sagte sie dann. „Jede Pflanze flüstert ein Geheimnis. Man muss nur lernen, zuzuhören.“
Doch nicht alle waren begeistert von ihrer Kunst.Einige alte Männer auf dem Dorfplatz murrten:„Zu viel weiß sie. Zu schnell heilt sie. Ist das überhaupt noch Gottes Werk?“Und wenn Alinora einmal jemanden nicht retten konnte – was ja geschah, denn niemand kann jeden heilen – dann wurde das Murren lauter.
Eines Jahres kam eine schlimme Krankheit ins Dorf. Viele husteten, lagen mit Fieber im Bett, und die Menschen hatten große Angst. Alinora tat ihr Bestes: Sie kochte, mischte, flüsterte tröstende Worte. Viele wurden gesund – doch nicht alle.
Da flüsterten die Menschen: „Vielleicht ist SIE es, die die Krankheit gebracht hat…“„Vielleicht ist sie gar keine Heilerin – sondern eine Hexe.“ Und aus Flüstern wurde Geschrei. Eines Abends, als der Nebel vom Moor aufzog und die Fackeln flackerten, standen die Dorfbewohner vor Alinoras Haus. „Fort mit dir!“, schrien sie. „Hexe! Geh in den Wald, und komm nie mehr zurück!“
Alinora stand an ihrer Tür, mit einem Bündel Kräuter in den Händen. Ihre Augen füllten sich mit Tränen, doch sie sagte kein Wort. Sie ging – Schritt für Schritt, barfuß auf dem kalten Boden, hinein in den finsteren Wald.
Dort, tief zwischen knorrigen Eichen, baute sie sich eine kleine Hütte. Sie flocht Äste zusammen, bedeckte sie mit Moos und Blättern. Und in der Mitte der Hütte brannte immer ein Feuer, das mit seltsamen Düften rauchte.
Die Dorfbewohner hörten lange nichts mehr von ihr. Manche Kinder fragten: „Kommt Alinora wieder?“ Doch die Erwachsenen sagten nur: „Sprich ihren Namen nicht.“
Doch in der Nacht vor Allerheiligen – in jener Nacht, die wir heute Halloween nennen – geschah etwas Seltsames. Ein Nebel stieg aus dem Wald. Erst wie ein Schleier, dann wie eine Decke, die das Dorf umhüllte. So dicht, dass man kaum die eigene Hand vor Augen sah.
Die Hunde heulten, die Schafe drängten sich zusammen. Und dann hörte man eine Stimme im Nebel. Nicht laut – aber jeder hörte sie.
„Ihr habt mich verstoßen, ihr habt mich verbannt. Nun sollt ihr fühlen, was Einsamkeit heißt.“
Seit dieser Nacht, so sagt man, kehrt der Nebel jedes Jahr zurück. Manchmal geht er wieder schnell. Aber manchmal bleibt er lange – und dann knacken Äste im Dunkeln, und man sieht ein schwaches Licht zwischen den Bäumen.
Manche behaupten, das sei Alinoras Laterne. Sie wandert durch den Wald, sucht nach den Dorfbewohnern – und besonders nach jenen, die „Hexe“ zu ihr schrien.
Und wisst ihr, was die Alten erzählen?Wenn man in einer Halloween-Nacht im Nebel den Wald betritt und nicht still ist, hört man sie flüstern. Man hört sie sagen: „Komm mit mir… ich zeige dir, wo die Kräuter wachsen…“
Doch wer der Stimme folgt, der findet nie mehr den Weg hinaus.
Darum, Kinder: Wenn Nebel über die Felder zieht und der Wind durch die Bäume pfeift – dann bleibt lieber im Haus. Denn irgendwo da draußen, im Wald, brennt noch immer ein Feuer in einer kleinen Hütte. Und Alinora, die Kräuterfrau, hört alles, was man sagt.
✨ Ende der Legende


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