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🎃 Kürbislaternen

ab 6 Jahren, Lesezeit etwa 10 Min.


Es war einmal ein kleines Dorf, das zwischen Feldern und schmalen Flussläufen lag. Im Sommer wogte dort golden das Getreide, und Frösche quakten laut in den Gräben. Doch am äußersten Ende des Dorfes, wo die Felder in wildes Gestrüpp übergingen, stand eine windschiefe Hütte. Dort lebte eine alte Frau, die kaum jemand kannte. Sie ging schweigend an den Flüssen entlang, sammelte Kräuter und verschwand wieder in ihrem Garten voller Kürbisse. Die Kinder im Dorf lachten über sie und nannten sie „Kürbis-Oma“, weil in ihrem Garten immer große Kürbisse wuchsen.


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Eines Abends, kurz vor Allerheiligen, schlich eine Gruppe Kinder an ihrem Haus vorbei. Sie waren übermütig und wollten Mut beweisen. „Lasst uns der alten Frau mal einen Schrecken einjagen!“, rief einer. Sie warfen Steine gegen die Fensterläden. Sie spuckten auf ihre Schwelle. Einer der Jungen zerrte sogar an den Ziegen im Garten, sodass die Tiere jämmerlich blökten.


Da öffnete sich die Tür, langsam und knarrend. Die alte Frau trat heraus. Ihr Rücken war gebeugt, ihr Gesicht lag im Schatten der Kapuze. Nur ihre Augen funkelten wie zwei kleine Flammen. „Kinder…“, sprach sie mit heiserer Stimme, „ihr lacht und verspottet, ihr quält, was unschuldig ist. Wisst ihr denn nicht, dass jede Tat einen Schatten wirft?“

Die Kinder kicherten und hielten sich die Hände vors Gesicht. „Sie redet ja wie eine Hexe!“, flüsterten sie. „Geht nach Hause!“, rief einer. „Wir haben keine Angst!“


Da hob die Frau ihre knochige Hand, und ein seltsamer Wind rauschte durch den Garten. Die Kürbisse auf dem Feld begannen zu beben. Einer nach dem anderen platzte auf, und in ihrer Mitte glomm ein unheimliches Licht auf – als hätte jemand kleine Feuer hineingesetzt.

„Euer Spott soll euch begleiten“, murmelte die Alte. „So wie ihr anderen Angst einjagt, so sollen euch diese Gesichter verfolgen.“

Die Kinder starrten entsetzt: Jeder Kürbis hatte jetzt ein grinsendes, furchtbares Gesicht. Die Augen brannten gelb, die Münder waren aufgerissen, als würden sie lachen und knurren zugleich. Die Kinder rannten schreiend davon – doch egal, wohin sie liefen, hinter ihnen rollte immer wieder das Echo des flackernden Lichts.


Als sie endlich in ihre Häuser flohen, erzählten sie ihren Eltern, was sie gesehen hatten. Doch niemand glaubte ihnen. Nur am nächsten Abend sahen auch die Erwachsenen, dass die Kürbisse im Garten der Alten leuchteten – mit Fratzen, die im Dunkeln glommen.

Und so begann es: Um die bösen Geister fernzuhalten, schnitzten die Dorfbewohner selbst Gesichter in Kürbisse, stellten Kerzen hinein und stellten sie vor ihre Türen. So wollten sie zeigen: „Wir haben keine Angst – und wir schützen uns vor allem Bösen.“


Seit jener Nacht nennt man sie Jack-o’-Lanterns. Und noch heute erinnern sie daran, dass Spott, Gemeinheit und Grausamkeit nicht ohne Folgen bleiben.

Und die alte Frau? Niemand sah sie je wieder. Nur manchmal, wenn der Wind durch die Felder heult, meinen die Kinder zu hören, wie eine Stimme flüstert: „Jede Tat wirft ihren Schatten…“


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